Freyschmidtstraße

Die sich in 530m Länge von der Neubrandenburger Straße bis zum E-Werk in Nordrichtung hinziehende Straße hat ihren Namen nach dem Prenzlauer Apotheker Freyschmidt, der Ende des 19. Jh. der Stadt erhebliche Stiftungen zukommen ließ, erhalten. Vorher war dieser Straßenzug der sogenannte "Unterkietz" als Verbindungsweg der heutigen Kietzstraße (früher "Oberkietz") zum Kuhdamm.

Eine Befestigung der Straße erfolgte ebenfalls erst sehr spät, sie war bei nassem Wetter geradezu unpassierbar, weswegen der Durchgangsverkehr vom Kuhdamm zur Stettiner Straße wiederholt (1869 und 1885) polizeiliche verboten wurde.

Ein auf der Westseite der Straße entlang führender Schlammgraben, der zu vielen Unfällen geführt hatte und mit Sicherheit zur Aufnahme von allerlei Unrat benutzt wurde, ist 1884 zugeschüttet worden. Laut einer Bekanntmachung vom 28. Dezember 1885 durften Schutt und Asche aus Prenzlau nur auf dem "Kietz" zwischen der Neubrandenburger Straße und der Hausstelle Nr. 32 abgeladen werden, während ab 9. April 1886 die verlängerte Schuttablagerung bis zur Ecke am Schlachthof-Kühlhaus gestattet wurde.

Auf der Ostseite der Straße zog sich in etwa 100 m Länge südlich des Schlachthofes der Mittelgraben entlang, der durch eine Hecke von der Öffentlichkeit abgegrenzt, an der Ecke mit der Kietzstraße mittels einer Brücke schräg die Straße unterquerte. Der Mittelgraben wird heute durch zwei Zementrohrleitungen von dem Haus Drews über den ehemaligen Stadt-Bauhof auf kürzestem Wege dem Uckerstrom zugeleitet.

Nachdem bereits früher eine Chaussierung der Fahrbahn erfolgt war, wurde diese 1950 nochmals mit erheblichem Kostenaufwand durchgeführt. Der Unterkietz war mehrere Jahrzehnte lang noch nach Eröffnung des Schlachthofes 1889 die einzige Anfahrtstraße. Die heutige Kietzstraße und die Straße "Grüner Weg" (später Pestalozzistraße, heute Winterfeldtstraße) waren kaum passierbar.

1938 hatte die Freyschmidtstraße 18 Grundstücke mit den Nummern 3, 4/5, 6, 9, 20-28, 30, 32, 34, 36 und Kläranlage.

Es wohnten hier 1914 – 195, 1915 – 199, 1916 – 188 Personen.

1872 wurde auf dem Grundstück Nr. 32 die Wollwäscherei unter dem Namen "Uckermärkische Wollbank und Wollwäscherei" errichtet. Dieses Unternehmen geriet bald in Konkurs, und in der am 28. April 1879 stattfindenden Zwangsversteigerung erwarben die Rentner W. Vieritz das massive Wohnhaus für 24.500 Mark und H. Hoffmann die Fabrikgebäude für 62.000 Mark. Die Fabrikanlagen übernahm dann 1882 der Kaufmann Gensirsky für 28.500 Mark und baute sie zu einer Tuchfabrik aus, die unter Neubrandenburger Straße Nr. 5a geführt wurde. 1905 hatten hier die Happelt-Brauerei ihre Niederlage, später der Maschinenhändler Mahler seinen Lagerplatz und Reparaturstätte, und dann den größten Teil des Gebäudes neben anderen Gewerbebetrieben die Vulkanisieranstalt Oldörp.

Nachdem das alte Gaswerk in der Kietzstraße, nach dessen Abbruch die Anlage der Lessingstraße ermöglicht wurde, den Anforderungen nicht mehr genügte, erfolgte dessen Neubau 1907/08 gegenüber dem Kugelfang des Exerzierplatz-Schießstandes und 1908 die Inbetriebnahme. Die Baukosten einschl. der Verwaltungsgebäude betrugen 622.019,65 Mark.
Damals wurden aus 100 kg Kohle 27-30 cbm Gas erzeugt bei einem jährlichen städtischen Verbrauch von 800.000 cbm.

Durch den Bau eines neuen Ofens konnte 1926 die Gesamt-Jahreserzeugung auf 1.100.100 cbm erhöht werden bei einer Gasausbeute von 52,5 cbm aus 100 kg Kohle. Die Rohrlänge der Gasleitungen in den Stadtstraßen betrug 1928 – 26 km. Versorgt wurden 305 Straßenlaternen.

Auch das E-Werk auf dem Gelände der Gasanstalt entstand 1908 mit einem Kostenaufwand von 387.216,09 Mark.

Die Gesamtversorgung der Stadt mit Strom aus eigener Erzeugung erfolgte jedoch erst ab 1. Februar 1931, nach Ausbau der Ruine der Draußenmühle 1927 zu einem Wasserkraftwerk. Es wurden erzeugt: 1909 – 160.000 KW und 1930 – 1.703.000 KW. 133 elektrische Straßenlampen wurden 1931 versorgt, während das Leitungsnetz eine Länge von 31 km hatte. Das Werkstattgebäude auf dem nördlichen Grundstücksteil wurde 1930 erbaut.

Das am Nordende der Straße liegende Groß-Kühlhaus, das am 12. Juni 1953 sein Richtfest feierte, nahm 1954 seinen Betrieb auf.

Nördlich vom E-Werk und westlich vom Kühlhaus befindet sich die im Bau 1914 fertig gestellte Kläranlage, die 1930 die Anschlüsse von 777 Grundstücken verarbeitete. 4 Pumpstationen an der Güstower Chaussee, am Pristergraben, am Mittelturm und am Wasserwerk überbrückten die fehlenden natürlichen Gefälle der Tiefgebiete der Kasernenanlagen an der Berliner Chaussee, der Neustadt und der Schwedter Straße zur Kläranlage. Das Tiefgebiet Schnelle, Neustädter Damm und die Neubrandenburger Straße konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschlossen werden. Ohne Anschluß blieb weiterhin die Gegend der Bergstraße und Uckerpromenade.

Anschlußgleise der Reichsbahn führen zum E-Werk und Kühlhaus. Die Pflasterung der Straßenstrecke Pestalozzistraße bis Kühlhaus sollte im Herbst 1954 erfolgen, war aber 1965 noch nicht realisiert.

Nach der amtlichen Bekanntmachung vom 29. Dezember 1877 erhielt diese Straße, die bisher den Namen "Unterer Weg nach dem Kietz" führte, die Bezeichnung "Unter-Kietz".





Quellen:
• Adreßbücher der Stadt Prenzlau in mehreren Jahrgängen
• Stadtpläne der Stadt Prenzlau und Umgegend aus mehreren Jahren
• "Die Prenzlauer Straßen und ihre Geschichte", Alfred Hinrichs, maschinenschriftliche Aufzeichnungen, 1954